C. Schott-Volm: Orte der Schweizer Eidgenossenschaft

Cover
Titel
Orte der Schweizer Eidgenossenschaft. Bern und Zürich


Herausgeber
Schott-Volm, Claudia
Reihe
Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 7
Erschienen
Frankfurt am Main 2006: Vittorio Klostermann
Anzahl Seiten
1164 S.
Preis
€ 149,00
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Andreas Würgler, Historisches Institut, Universität Bern

Unter dem Begriff der «Policey» verbirgt sich für die Zeit vor 1800 nicht etwa ein Korps, das zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung mit dem Monopol der legitimen Gewaltanwendung ausgestattet ist. Vielmehr bezeichnete man mit Policey die Summe der gesetzgeberischen Anstrengungen der Obrigkeit, die sich nicht nur für Ruhe und Ordnung, sondern auch für Wohlstand und Wohlergehen der Untertanen verantwortlich fühlte. Dazu hatten die Städte schon seit dem 15. Jahrhundert Gesetze und Ordnungen erlassen, die mit der Zeit alles Mögliche und Unmögliche regelten: vom Gottesdienst über das Bettelwesen bis zur Marktaufsicht, von den Verhaltensnormen für Soldaten, Pfarrer und Zigeuner bis zu Details der Kleidermode, der Zensur oder der politischen Versammlungen.

Seit rund 20 Jahren wird das Phänomen Policey vermehrt untersucht. Ein Resultat dieser Forschungen ist das «Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit», das nicht nur die Policeygesetze des Deutschen Reiches und einiger seiner Territorien, sondern auch der Kantone Bern und Zürich verzeichnet (nicht aber ediert). Wie schwierig ein solches Unterfangen letztlich ist, wird auch am Berner Beispiel deutlich, das hier ausführlicher vorgestellt wird.

Die Richtlinien der Repertoriumsreihe sehen vor, dass nur Gesetze der zentralen Instanzen erfasst werden, nicht aber solche untergeordneter Gesetzgeber wie etwa Landstädte, Dörfer oder Zünfte. Aus der Flut frühneuzeitlicher Erlasse und Vorschriften wurden zudem nur diejenigen verzeichnet, die eine im Prinzip allgemeine Norm beinhalten und öffentlich bekannt gemacht wurden – sei es durch Verlesen von der Kanzel, Ausrufen auf dem Marktplatz, Anschlag in gedruckter Form als Plakate oder Druck im «Amtsblatt». Diese Auswahlkriterien machen die Masse des Stoffes überhaupt erst einigermassen bearbeitbar. Umso wichtiger wäre es, diese Kriterien – wie auch die für die ganze Reihe vorgegebene systematische Stichwortliste – jedem Band voranzustellen und nicht nur dem ersten, der 1996 von Karl Härter und Michael Stolleis herausgegeben wurde.

In der Einleitung zum Schweizer Band mit Zürich und Bern skizziert Claudia
Schott-Volm auf knappem Raum die Geschichte, Verfassungs- und Verwaltungsentwicklung von Stadt und Territorium, bevor sie die Quellensituation und die spezifischen Auswahlkriterien für den Berner Fall darlegt, bei dem sie im Unterschied zu Zürich keine Vollständigkeit anstrebte.

Trotz der beeindruckenden Fülle von 4932 in den Jahren 1528 bis 1798 vom
Berner Rat und seinen Kammern und Kommissionen publizierten Ordnungen und Mandaten sind längst nicht alle Erlasse erfasst. Für Zürich enthält die Publikation «nur» 1986 Erlasse, die von 1417/63 bis 1798 erschienen (S. 1052); die Differenz zu Bern wird nicht erklärt. Angesichts der uneinheitlichen sowie zum Teil unvollständigen und doppelspurigen Überlieferungssituation beschränkt sich das Repertorium weitgehend auf die Verzeichnung jener Ordnungen und Mandate, die in den 37 Bänden der so genannten «Mandatenbüchern» im Staatsarchiv des Kantons Bern aufgeführt sind. Die Herausgeberin berücksichtigte dagegen die vom Namen her eigentlich nahe liegenderen «Policeybücher» nicht, weil sie zum einen unvollständiger und zum anderen durch die «Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen» bereits erschlossen worden sind. Auch die Sammlungen der Mandate für die Waadt (in französischer Sprache) hat Regula Matzinger-Pfi ster schon herausgegeben, sie fehlen daher im vorliegenden Repertorium. Weil die Mandatenbücher erst mit der Reformation 1528 einsetzten, bleibt die vorreformatorische Policeygesetzgebung unberücksichtigt. Auch innerhalb des Bestandes der Mandatenbücher wurden einzelne Bereiche (aus arbeitsökonomischen Gründen) nicht über den ganzen Zeitraum erfasst: so etwa die Anordnung von Bettagen und die Regelung des Fischfangs im Genfer See nur bis 1730, die Festsetzung der Jagdzeiten nur bis 1737.

Da die Einleitung weder eine quantifi zierende noch eine interpretierende Darstellung und Auswertung des Materials enthält, soll hier auf den Beitrag «Alltag der Macht, die zentrale Verwaltung» von Claudia Schott-Volm im Sammelband «Berns mächtige Zeit» hingewiesen werden (S. 38–43), der unter anderem die zeitliche und thematische Verteilung der knapp 5000 Gesetze anschaulich darstellt. Die Zahl der jährlich publizierten Ordnungen bewegt sich bis 1560 unter 50 Stück, erreicht 1590 einen Wert um 100 und pendelt von 1620 bis 1720 zwischen 200 und 300, um dann bis 1798 auf Werte zwischen 150 und 200 zu sinken. Damit erweist sich das 17. Jahrhundert als die eigentliche Konsolidierungsphase des bernischen Stadtstaates, der damit im Vergleich zu deutschen Territorien eine Vorläuferrolle einnimmt. Die mit Abstand meisten Regelungen betrafen die Wirtschaft (2288 Gesetze), gefolgt von der öffentlichen Sicherheit (861) und den Religionsangelegenheiten (795). Dank der gigantischen Erschliessungsarbeit der bernischen Policeygesetzgebung liegt es nun an der künftigen Forschung herauszufi nden, ob und was dieser Verordnungsschwall bewirkt hat, sei er nun einer staatlichen Disziplinierungswut entsprungen oder doch eher zu verstehen als obrigkeitliche Reaktion auf Missstände, die von der Bevölkerung beklagt worden waren. Dabei sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass das Repertorium trotz seines beträchtlichen Umfangs von rund 700 Seiten keineswegs die gesamte Verordnungs- und Gesetzgebungstätigkeit in der bernischen Stadtrepublik erfasst.

Zitierweise:
Andreas Würgler: Rezension zu: Schott-Volm, Claudia (Hrsg.): Orte der Schweizer Eidgenossenschaft: Bern und Zürich, Frankfurt a.M., Vittorio Klostermann, 2006 (Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 7) (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte,
Bd. 204), 1164 S. (2 Bd.). Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 68, Nr. 4, Bern 2006, S. 251f.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 68, Nr. 4, Bern 2006, S. 251f.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit